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Aktuelle Meldung



25.06.2010 - Kategorie: LD online, Slowakei

LD online: Starke evangelische Wurzeln




Eine Kirche für Michalovce

 

Interview mit Pfarrer Ján Meňký

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 2/2010, Sondernummer »Slowakei«



Lutherischer Dienst 2/2010, Sondernummer »Slowakei«

Zwölf Jahre Kirchenbau, zwölf Jahre Einsatz der Gemeinde für die neue Kirche, zwölf Jahre Hilfe von Seiten vieler Partner: Am 25. Oktober 2009 wurde mit großer Gemeinde die neue Kirche in Michalovce in der Ostslowakei eingeweiht.

Bei der Einweihung erinnerte Generalsekretär Dr. Rainer Stahl in seinem Grußwort an die Anfänge des Projektes und an die Diasporagabe 1997 für die slowakische Schwesterkirche, bei der ausdrücklich auch für den Kirchenbau in Michalovce gesammelt wurde.

Das Engagement aller Beteiligten hat nun zu einem guten Abschluss geführt. Die Gemeinde hat einen wunderschönen Kirchenbau, der für verschiedenste Aktivitäten und Aufgaben geeignet ist. Neben dem großen Kirchenraum, der ein zeltartiges Dach über sich hat, das in einer kreisförmigen Fläche zusammengeht, die an die Sonne erinnern soll, gibt es mehr als fünf Nebenräume für die Jugendgruppen, für die Arbeit mit Kindern, für Gemeindeveranstaltungen, für Bibelstunden und vieles mehr. Gegenüber dem Altar ist eine große Empore für die Arbeit des Chores. Eine Orgel ist schon aufgestellt und muss noch ein klein wenig instand gesetzt werden. In einem Gespräch zwischen Dr. Rainer Stahl und Pfarrer Ján Meňký wurden Anfang und glückliches Ende dieses Projektes nochmals deutlich:

 

 

Herr Pfarrer Meňký: Sie sind seit 1990 Pfarrer in Michalovce. Wie haben Sie die Gemeinde damals vorgefunden?

Die Gläubigen versammelten sich damals zum Gottesdienst in einem muffigen und feuchten Gebäude. Es gehörte nicht der Gemeinde, sondern wurde nur vorübergehend an sie vermietet. Das Pfarrhaus brauchte eine Totalrenovierung, denn das Leitungswasser wurde durch ein giftiges Bleirohr geleitet. Die Garage war nicht gemauert und musste wegen Ungeziefer abgerissen werden. Die schwierige Aufgabe bestand damals darin, einige ältere Mitglieder des Presbyteriums von der Notwendigkeit einer Veränderung zu überzeugen. Sie haben damit argumentiert, dass es lange Jahre so funktioniert hatte. Ich sollte nichts Neues erfinden.

 

Wir wissen ja, dass Sie nicht resigniert haben. Wie ging es dann weiter mit Ihrer Gemeindearbeit?

Im Kirchenbuch habe ich die Namen der getauften Kinder ausfindig gemacht und im Telefonbuch die dazugehörigen Adressen. Anschließend haben wir mit der Schwester, die die Sonntagsschule leiten sollte, diese Familien besucht und Kinder und Erwachsene in die Kirche eingeladen. Das war nur ein Jahr nach der Wende. Wir bekamen darauf unterschiedliche Reaktionen. Eine davon war: Die Eltern hatten drei kleine Töchter und haben ziemlich arrogant auf unsere Einladung reagiert. Im Lauf der Zeit wurden jedoch alle drei Mädchen doch konfirmiert und haben sogar für längere Zeit die Verantwortung für die Jugendgruppen getragen. Noch heute führen sie ein aktives christliches Leben.

Ich habe stets mit Nachdruck auf Gottes Wort hingewiesen. Die Bibelarbeit steht im Mittelpunkt unserer Begegnungen. Es gibt eine lebendige Gebetsgruppe, die sich regelmäßig trifft und für die Anliegen in der Gemeinde betet. Dazu gehörte immer auch der Neubau der Kirche. Besonders wichtig finde ich aber den Beziehungsaufbau und die Bildung unserer Gemeinschaft. Sie soll ein Zuhause für alle sein.

 

Zusammen mit dem Presbyterium haben Sie den Plan entwickelt, eine eigene Kirche zu bauen. Stimmt es, dass Sie sogar die Pläne selbst entworfen haben?

Wir hatten zunächst drei Architekten angesprochen. Zwei von ihnen haben eigene Studien mitgebracht und waren nicht bereit, Änderungen nach meinen Vorstellungen vorzunehmen. Der Dritte war bereit mitzuarbeiten, und so konnten wir gemeinsam eine Studie ausarbeiten, die als Grundlage diente. Die Kirche sollte die Form eines Rundbaus haben, weil es mir wichtig war, dass die Entfernung zwischen dem Zuhörer und dem Altar nicht zu groß sein sollte und der Prediger mit jedem Blickkontakt haben könnte. Die Kirche sollte auch über gute Akustik verfügen und genügend Räume für Bibelstudium, Kinder- und Jugendarbeit bieten. Kurz vor der Fertigstellung entstanden kleinere Komplikationen. Einige Teile des Planes waren so anspruchsvoll und schwer zu realisieren, dass er korrigiert werden musste. Der Planer, mit dem ich zum Schluss intensiv zusammengearbeitet hatte, war nicht bereit, die verlangten Korrekturen zu akzeptieren, und hat die Arbeit abgebrochen. Aus dem Grund musste der Bearbeiter des Schlussprojektes diese Korrekturen durchführen.

 

Am 25. Oktober 2009 war die Einweihung der neuen Kirche. Wie haben sich die langen Jahre des Baus auf die Gemeinde ausgewirkt?

Der Kirchenbau hat die ganze Gemeinde mobilisiert und hat vielen geholfen, in das Leben der Gemeinde zurückzukehren. Als ich Leute zum Gottesdienst eingeladen habe, haben viele geantwortet: »Ich habe lange keinen Gottesdienst mehr besucht und will nicht als Opportunist erscheinen.« Als ich sie aber um Hilfe beim Bau der Kirche gebeten habe, waren sie bereit zu helfen. Die evangelischen Wurzeln sind viel stärker als manche vermuten! Heute sind viele Neue gekommen. Das ist ihr Gotteshaus. Sie haben an dessen Bau nicht nur teilgenommen, sondern auch viel investiert. Dieses Gotteshaus hat eine herrliche Missionsaufgabe erfüllt. Natürlich war es auch eine anstrengende und lange Prüfung der Geduld, des Glaubens und der Hingabe.

 

Neben der großen Opferbereitschaft in Ihrer Gemeinde und vielen Helfern haben Sie auch Freunde im Ausland gefunden. Wie war die Zusammenarbeit mit dem MLB?

Die Hilfe des Martin-Luther-Bundes hat unsere Erwartungen übertroffen. In vielen schwierigen Situationen kam seine Hilfe unkompliziert und sehr oft in letzter Minute. Ich möchte mich bei allen Freunden und Vereinen des Martin-Luther-Bundes herzlich bedanken, die uns mit der Diasporagabe unterstützt haben, besonders aber bei Ihnen, weil Sie zu uns gekommen sind und uns in mancher schweren Stunde geholfen und Mut gemacht haben.

 

Am beeindruckendsten war, dass so viele Vertreter anderer Kirchen beim Weihegottesdienst in Michalovce teilgenommen haben. Wie sind die ökumenischen Beziehungen?

Am Weihegottesdienst haben Vertreter der Römisch-Katholischen, Griechisch-Katholischen, Orthodoxen und der Reformierten Kirche teilgenommen. Wir durften auch die Vertreter der Brüderkirche und der Evangelisch-Methodistischen Kirche willkommen heißen. Spät am Abend hat mich der Erzbischof der Orthodoxen Kirche aus dem Krankenhaus angerufen und mir gratuliert. Diese hervorragenden Beziehungen unter den Kirchen unserer Stadt sind auch dank des Bürgermeisters entstanden, der beim Stadtamt einen Kirchenrat gründete. Auf diese Weise treffen wir uns regelmäßig einmal im Vierteljahr. Der Bürgermeister informiert uns über Aktivitäten der Stadt, und die einzelnen Kirchen informieren über ihre Projekte. Gemeinsam versuchen wir, die Roma-Frage in unserer Stadt zu lösen und positiv das Leben der Bürger von Michalovce zu beeinflussen. Aus dieser Initiative der Stadt entwickelte sich ein jährlicher ökumenischer Gottesdienst auf dem Hauptplatz und ein gemeinsamer Passionszug in der Fastenzeit.

 

Ein besonderer Akzent war der Besuch der großen Gemeindegruppe aus Pančevo, der Partnergemeinde aus der Wojwodina in Serbien. Wie haben sich die Beziehungen entwickelt?

Vor einiger Zeit hat sich bei mir eine Gruppe evangelischer Serben mit der Anfrage gemeldet, wann bei uns der Gottesdienst stattfindet. Sie waren in einer Volkstanzgruppe tätig und hatten in unserer Stadt eine Aufführung. Nach einem Gottesdienstbesuch sind wir in Kontakt geblieben, und im Herbst 2008 sind wir einer Einladung nach Serbien zur Weihe der Kirchturmuhr gefolgt. Dort wurden wir sehr herzlich empfangen und waren zu Gast bei den Familien in der Gemeinde. Daraus entstanden viele tiefe Beziehungen. Natürlich haben wir sie zu unserem historischen Ereignis der Kirchweihe in Michalovce eingeladen, damit sie sich mit uns freuen, und es gab ein glückliches Wiedersehen aller beteiligten Familien.

 

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 2/2010, Sondernummer »Slowakei«. Wenn Sie die weiteren Artikel mit weiteren Informationen über Land und Leute und die evangelisch-lutherische Kirche in der Slowakei lesen möchten, bestellen Sie den » Lutherischen Dienst kostenlos.