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Martin-Luther-Bund
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Aktuelle Meldung



22.07.2008 - Kategorie: LD online, Polen

LD ONLINE: Die Gemeinde lebt und wächst




Neues Kirchenzentrum in Köslin

 

von Hannelene Jeske

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 3/2008



LD 3/2008

Das neue Kirchenzentrum – Foto: Jeske

Auch das ist »Zukunft der Gemeinde«: Pfarrer Staszczak und eines der jüngsten Gemeindeglieder. – Jeske

V.l.n.r.: Diakoniedirektorin Wanda Falk, Bischof Ryszard Bogusz, der Leitende Bischof Janusz Jagucki, Bischöfin Margot Käßmann, Altbischof Jan Szarek, Bischof Michal Warczyński und Synodalpräsident Pfarrer i.R. Jan Gross. – Foto: Jeske

Am Samstag, den 17. Mai 2008, feierte die Gemeinde »Jesus, der Gute Hirte« in Köslin/Koszalin die Eröffnung ihres neuen Gemeindezentrums. Der Leitende Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Janusz Jagucki, weihte das neue geistliche Zentrum zwischen Stettin und Danzig, in dem Pfarrer Janusz Staszczak zukünftig die Gottesdienste in deutscher und polnischer Sprache für seine Gemeinde zwischen Kolberg/Kołobrze und Neustettin/Szczecinek betreuen darf.

 

Eine strahlende Frühlingssonne bescheint die hellgrünen hohen Kastanien um die alt-ehrwürdige gotische Kapelle der Heiligen Gertrude an der Kösliner ul. Połczyńska. Die Natur hat ihr schönstes Kleid angezogen und feiert den Frühling. Genauso wie die Gemeinde »Jesus, der Gute Hirte« im pommerschen Köslin, dem heutigen polnischen Koszalin, denn hier blüht die Hoffnung. Der frühere Bischof Jan Szarek erinnert sich, dass einst Frauen aus Köslin zu ihm nach Warschau ins Kirchenamt kamen, um ihn um einen eigenen Gottesdienstraum für ihre Gemeinde zu bitten. Am 7. Mai 2000 konnte die Gertrudenkapelle für die Kösliner zurückgewonnen werden. Gemeindepfarrer Janusz Staszczak wurde schnell zum begeisterten Anhänger und Kämpfer für die Idee eines eigenen Zentrums. Staszczak stand mit dieser Vision oft kurz vor dem Scheitern angesichts der Widerstände und Schwierigkeiten, die sich auftaten. Er fand aber auch Verbündete – z.B. Bischöfin Margot Käßmann. »Dass wir versöhnt über die Grenze hinweg zusammenkommen können, ist ein großes Geschenk. Wir vertrauen die Zukunft der Kirche dem Geist Gottes an«, so die Landesbischöfin, die quasi eine Tochter der alten altlutherischen St. Gertrudengemeinde ist. Von hier stammt ihre inzwischen 85-jährige Mutter, hier wurde sie getauft und konfirmiert. Ihre Teilnahme am 17. Mai verlieh der Einweihung eine besondere Würde. Durch sie wurde die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers Partnerin des Projektes. Die Teilnahme der Bischöfin symbolisierte besonders die historische Brücke zwischen den Lutheranern der Vergangenheit und Gegenwart in Köslin.

 

Dies galt aber auch für andere Gäste des Tages, die sich im mit fast 500 Personen vollbesetzten Zelt vor dem neuen Gemeindezentrum zum feierlichen Dankgottesdienst mit Heiligem Abendmahl zusammengefunden hatten. »Radio Koszalin« übertrug die Feier am folgenden Trinitatissonntag sowohl im Rundfunk als auch im Fernsehen und trug dazu bei, dass die historische Stunde in der polnischen Öffentlichkeit angemessen wahrgenommen werden konnte. Der frühere Präsident des damaligen Kirchenamtes der Union Evangelischer Kirchen in Deutschland und jetzige Präsident des Gustav-Adolf-Werkes, Dr. Wilhelm Hüffmeier – auch ein ehemaliges Kind der Stadt –, sprach in seinem Grußwort von den Partnern, die sich für dieses Projekt zusammengetan haben. Nur zusammen und in Gemeinschaft sei dieser Bau möglich gemacht worden.

 

 

»Eine dreifache Schnur reißt nicht«

 

Dazu gehören neben dem GAW der Erlanger Martin-Luther-Bund, die Union Evangelischer Kirchen und eben die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers. »Eine dreifache Schnur reißt nicht«, so bekräftigte Hüffmeier das Engagement der Beteiligten. Eine Delegation der schwedischen Partnergemeinde, aber auch zahlreiche weitere Gruppen unterstützten das Projekt und wollen es auch zukünftig begleiten. Der Martin-Luther-Bund, der durch Hannelene Jeske vertreten war, beteiligte sich durch die Finanzierung der Fenster und die Rückzahlung eines Kredites, mit dessen Hilfe die Arbeiten am Kirchenzentrum abgeschlossen werden konnten.

 

 

Eine Sternstunde für die Gemeinde

 

Die gemeinsame Anstrengung der Partner wurde in den weiteren Grüßen und Glückwünschen immer wieder deutlich. Pfarrer Janusz Staszczak war zwar die Anspannung des Tages, aber auch die Erleichterung anzusehen. Die Kirchweihe in Köslin ist für die Gemeinde – wie auch für ihn – eine Sternstunde. Unter enormer Anstrengung haben sie diese Aufgabe gestemmt. Mehr als zehn Jahre dauerte die Bauzeit. Im neuen Gemeindezentrum gibt es eine Kapelle; es bietet auch der Gemeindediakonie Raum für Treffen und Aktivitäten.

 

Im ersten Stock wurde ein geräumiger Gemeindesaal mit Küche geschaffen, so dass von der Pfarrkonferenz bis zum sonntäglichen Treffen nach dem Gottesdienst Platz ist. Außerdem finden sich im zweiten Stock schöne Gästezimmer für Besucher der Gemeinde, aber vor allem für Touristen, die Köslin und die schöne nahe Ostseeküste kennen lernen möchten. Oben unter dem Dach soll zukünftig Raum für Jugendgruppen aus der gesamten Kirche geschaffen werden, die Konfirmandenfreizeiten und Ferienlager durchführen wollen. Das Gebäude ist zentral gelegen für die weiteren Filialen u.a. in Świdwin/Schivelbein, Białogard/Belgard und Szczecinek/Neustettin. Aus Piła/Schneidemühl kommt eine Jugendband, die zusammen mit ihrem Pfarrer Tomasz Wola schwungvolle und gute Musik macht. Die Gäste hören gerne zu. Hier ist sie wieder: die Hoffnung. Überall ist sie zu spüren an diesem Frühlingstag. Eine Gemeinde hat zusammen etwas richtig Großes geschaffen und geschafft. Man weiß dort, dass manche denken, dass in dieser Region Europas die Lichter ausgehen könnten. Es ist schwer, in den kleinen Ortschaften und einzelnen Höfen im polnischen Pommern zu leben. Die Straßen sind schlecht, die Häuser müssen renoviert werden, es gibt keine Arbeit, die nächsten Einkaufsmöglichkeiten sind weit entfernt. Immer mehr machen sich auf und wandern aus. Manchmal sind es nur wenige hundert Kilometer bis über die deutsche Grenze. Dort kann man schon in den kleinen Dörfern, die durch gute Straßen besser angebunden sind, ganz gut leben. Die meisten Deutschen, die hier vorher waren, sind schon weitergezogen. Aber für eine Familie, die aus Polen kommt, rechnet sich das Leben in einem Dorf in Vorpommern auf deutscher Seite besser. Ein Arbeitnehmer in Polen verdient durchschnittlich gerade mal 700 Euro. Der Benzinpreis ist mit 1,30 Euro pro Liter aber nur unbedeutend niedriger als bei uns in Deutschland. Manche kommen aus Warschau. Sie haben ihre Wohnung dort aufgegeben und wohnen im geräumigen Haus mit Garten in Mecklenburg-Vorpommern besser. Viele Familien machen den Schnitt noch deutlicher und wandern aus. Man findet sie in Irland, in Großbritannien – oder auch in Australien. Auch mittelständische Unternehmen siedeln sich jenseits der polnischen Grenze im Westen an und schaffen dort Arbeitsplätze auch für Deutsche.

 

 

Manche gehen, manche bleiben

 

Es gibt aber auch die anderen – die, die bleiben. »Meine Onkel sind alle weggezogen. Sie leben in Deutschland. Aber ich bin mit meiner Mutter hier geblieben, und ich will auch hier bleiben«, so der Mann, mit dem wir in der Schlange, die auf den köstlichen Kohleintopf Bigos wartet, ins Gespräch kommen. Domenika und Martha, seine Enkelkinder, leben in Berlin. Sie sprechen fließend Deutsch und Polnisch und kommen immer wieder zurück. Sie sind gerne bei der Großmutter »zuhause«. Natürlich kommen immer mehr Touristen in die Region. Sie wollen in Kolberg/Kołobrzeg am Meer Urlaub machen. Sie wollen auf endlos langen Wegen im Wald Erholung und beim Angeln in unberührter Natur am See ihre Ruhe finden. Hier treffen sie zusammen: die Fremden und die Einheimischen. Die Hoffnung ist berechtigt, dass es eine Zukunft für die Menschen in dieser Region geben wird, dass die Gemeinde »Jesus, der Gute Hirte« in Köslin leben und wachsen wird. Im ersten Gottesdienst im Gemeindezentrum am Trinitatissonntag wird dieser neue Geist spürbar. Bischof i.R. Jan Szarek predigt vor einer voll besetzten Kapelle des Gemeindezentrums und erinnert sich an die Anfänge und an den Besuch der Frauen aus Köslin. Vor ihm in der ersten Reihe sitzen zwei kleine Kinder, die andächtig aufschauen, zuhören und … mitsingen und mitbeten. Nach dem Krieg, so Bischof Szarek, gab es keine Kirche und keinen Pastor. Dann begann der Bau des neuen Gemeindehauses, und es war wie bei einem toten Baum, an dem langsam kleine grüne Blätter anfangen zu wachsen. Und jetzt kann die Arbeit beginnen, Gemeinde kann gebaut werden. Dazu wünschen sich die Menschen den Segen Gottes. Es gibt eine Sitte, dass jedes Schaf ein Zeichen bekommt, damit es im Herbst nach der Abweidung zum Eigentümer zurückkommt. Auch wir bekommen in der Taufe dieses Zeichen – das Kreuz –, dass wir zu Gott gehören. Wir sind gezeichnet und gehören zu ihm – und so auch die Menschen in Köslin, die das nie vergessen haben und deswegen eine neue Kirche gewollt und bekommen haben. In ihrem Grußwort dachten die Vertreter der Stadt Köslin an die Vergangenheit zurück: »Herr Pfarrer Staszczak, wir möchten Sie daran erinnern, was Sie gesagt haben, als die Gemeinde die Gertrudenkapelle am 7. Mai 2000 zurückbekommen hat. Sie haben gesagt: ›Gott vergisst die Plätze nicht, die ihm geweiht worden sind.‹ Heute haben wir den Eindruck, das war prophetisch.« Und wir können schließlich in der Fürbitte für die Gemeinde in Köslin ergänzen: »Gott vergisst die Menschen nicht, die er gesegnet hat.«

 

 

Hannelene Jeske ist Leiterin des Sendschriften-Hilfswerkes des Martin-Luther-Bundes in Erlangen.

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 3/2008. Wenn Sie die weiteren Artikel – etwa über die Trubar-Tage in Slowenien, über einen Besuch von 37 Stipendiaten und Stipendiatinnen des DNK/LWB in Deutschland oder den Bericht von Pfarrer Rüdiger Lutz (»Pastor in der Kapkirche«) – lesen möchten, bestellen Sie den » Lutherischen Dienst kostenlos.