Newsdetail - Druckversion
Martin-Luther-Bund
Druckversion der Seite: Newsdetail

Aktuelle Meldung



26.07.2006 - Kategorie: LD online

LD ONLINE: Hier entstehen Freundschaften ...




Im Martin-Luther-Bund wird Ökumene gelebt

 

von Sabine Göb

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 3/2006



LD 3/2006

Studienleiter Michael Hübner (links) mit nur einer kleinen Auswahl von Hausbewohnern (v.l.n.r.): Maja Jessenova aus Kasachstan, das Ehepaar Sándor Percze und Eszter Takács aus Ungarn, Davit Ayvazian und Anahit Avagyan aus Armenien und Jean Yoseph aus Syrien. – Foto: Yoseph

So sah die Fahrstraße 15 in den 70ern aus. – Foto: Archiv MLB

Die orthodoxe Kapelle im Haus – Foto: Yoseph

»Das Haus ist ein erster Anlaufpunkt, es soll die Schwelle des Fremdseins möglichst niedrig halten«, sagt Michael Hübner. Seit zehn Jahren ist er Studienleiter im Wohnheim des Martin-Luther-Bundes in Erlangen. Er weiß aus eigener Erfahrung seit seinem Studium in St. Petersburg, was es heißt, als Fremder in ein Land zu kommen. Ursprünglicher Anlass für die Gründung des Hauses in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war es, eine günstige Bleibe für ausländische Theologiestudenten aus der lutherischen Diaspora anzubieten, vor allem aus Osteuropa.

 

Die 40 Zimmer kosten zwischen 135 und 175 EUR im Monat. »Wir wollen aber auch keine Ausländerkäseglocke sein, deshalb haben von Anfang an auch deutsche Theologiestudenten hier ein Zimmer gefunden, die Verteilung ist etwa halbe-halbe.« Der 45-jährige Theologe lacht und nimmt die Deutschen auch gleich in die Pflicht: »Natürlich erwarten wir von denen dann auch, dass sie sich einbringen und den anderen helfen, sowohl was Seminararbeiten angeht als auch das Sozialleben hier in Erlangen.« Günstig, dass ans Grundstück gleich eine Brauerei angrenzt.

 

Wie eine vergrößerte WG kommt Friederike Hirschmann das Haus manchmal vor. »Wir haben Seniorate, das heißt verantwortliche Bewohner für die Küche, den Getränkeautomat, die Bibliothek, insgesamt etwa 20 wechselnde Dienste, wir haben den Anspruch, die Hausgemeinschaft zu pflegen.« Sie ist Verwaltungsleiterin und hat selbst in ihrer Studentenzeit dort gewohnt, als eine Pionierin, denn damals wurden nur Studenten aufgenommen.

 

Die Ausstattung der Zimmer ist einfach, Waschbecken auf dem Zimmer und Dusche auf dem Gang, doch für die Bewohner machen andere Eigenschaften den Charme ihres Heimes aus. »Wenn man über Jahre hier lebt, dann entstehen Freundschaften, die bleiben. Das ist der geheime Vorteil«, sagt der ungarische Pfarrer Sándor Percze, der zusammen mit seiner Frau Eszter Takács bereits zum zweiten Mal hier wohnt. Mit einem Promotionsstipendium kam er zurück, nachdem er schon während seines Theologiestudiums in Erlangen in der Fahrstraße zuhause war. Im Juli ist er fertig und wird in seine Heimatkirche nach Ungarn zurückkehren.

 

»Wir brauchen die deutschen Studierenden, die uns helfen können«, erklärt Percze. Für ihn ist es ein Pluspunkt, dass die meisten Bewohner Theologen oder Geisteswissenschaftler sind, auch wenn sich ab und zu ein Mediziner oder ein Informatiker in der Gemeinschaft aus 18 Nationen findet. Im Erdgeschoss sind die Büros des MLB, dort werden beispielsweise Bücherspenden für die Partnergemeinden in der evangelisch-lutherischen Diaspora organisiert und verschickt. In den Sommerferien wohnen Kirchenmitarbeiter aus der ganzen Welt für vier Wochen in den Studentenzimmern, um den eigenen Deutschkurs des Martin-Luther-Bundes zu besuchen.

 

»Wir beten nicht ständig, aber regelmäßig«, sagt Pfarrer Michael Hübner. Er lädt jeden Morgen um 7 Uhr zum Gebet mit anschließendem Frühstück, Teilnahme erwünscht, früher war sie zumindest für die deutschen angehenden Pfarrer Pflicht. Regelmäßig hält ein Professor der Theologischen Fakultät ein Seminar im Haus, wobei in der Regel klassische Texte der Reformation vorgestellt und ausgelegt werden.

 

Nicht alle Bewohner sind Lutheraner, seit 20 Jahren sind zehn Plätze für orthodoxe Studenten reserviert, die oben im Haus ihre Hauskapelle eingerichtet haben, mit Ikonen und Heiligenbildern aus der Tradition der Ostkirche. »Dort wurde Gott schon auf Arabisch, Aramäisch, Georgisch oder Koptisch angerufen«, spricht Michael Hübner über das für ihn »pfingstliche« Erlebnis.

 

Irena Pavlovic kommt aus Serbien und lernt in Erlangen zum ersten Mal andere christliche Kirchengemeinschaften kennen. Zuhause hatte sie kaum Kontakt zu Protestanten und kannte nichts von deren Gemeindeleben. »Man kann sich reich fühlen hier. Dieses Haus ist für die Ökumene gut«, sagt Michael Hübner. Er denkt auch ein wenig kirchenpolitisch, denn schließlich gehen die Bewohner der Fahrstraße mit der Erfahrung gelebter Ökumene und kultureller Vielfalt in ihre Heimatländer und die dortigen Kirchen zurück.

 

Sabine Göb ist freie Journalistin. Dieser Artikel entstand für die »Nürnberger Zeitung«. Wir danken für die freundlich erteilte Veröffentlichungserlaubnis.

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 3/2006. Wenn Sie die weiteren Artikel mit Berichten über die Arbeit von Friedrich Gierus in Brasilien oder die Hochwasserhilfe in Rumänien oder Auszüge aus der Antrittsrede von Bischof Dr. Tamás Fabiny lesen möchten, bestellen Sie den »Lutherischen Dienst« kostenlos.