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26.07.2004 - Kategorie: ELKRAS, LD online

LD ONLINE: »Ein Engel hat mir gesagt: Ihr werdet Eure Kirche behalten«




Eine Reise zur Synode nach Kasachstan

 

von Dr. Rainer Stahl

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 3/2004



LD 3/2004

Der Kinderchor ist mit Leib und Seele bei der Sache.

Außen- und Innenansicht der Kirche in Astana.

Ökumenische Gäste bei der Eröffnung der Synode: in der Mitte der ersten Reihe sitzend Archimandrit Serafim und Erzbischof Peta. Rechts stehend Pastor Nowgorodow, daneben Pastor Borowikow.

Im Frühling dieses Jahres konnte man lesen, daß das traditionsreiche lutherische Bethaus der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Astana (Kasachstan) vom Abriß bedroht sei, weil es in einem Stadtteil liegt, der zum Sanierungsgebiet erklärt worden war. Bischof Peter Urie protestierte: das Bethaus zähle zu den wenigen historischen Gebäuden, die es in Astana noch gebe. Viele ältere Gemeindeglieder, die in der Stalinzeit unter schweren Verfolgungen gelitten haben, würden von dem drohenden Abriß ganz besonders schwer getroffen. Der Generalsekretär des Martin-Luther-Bundes, Dr. Rainer Stahl, fuhr anläßlich der Synode der Evanglisch-Lutherischen Kirche nach Kasachstan und konnte sich selbst einen Eindruck über die bedrängte Lage der Gemeinde verschaffen. Er war Zeuge einer überraschenden Wende.

 

In Kostanai – Nordwest-Kasachstan – gibt es das Wohngebiet »Krasnuj Partisan« – »Der rote Partisan«. Mit dem Pfingstfest 2004 ist dort das Gemeindehaus der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde eingeweiht worden. Als Pfarrer Kenig und seine Frau 2001 nach Kostanaj kamen, waren sie zunächst in einer Gemeindewohnung untergebracht, die jetzt zum Nutzen der Gemeinde vermietet wird. Das jetzige Gemeindehaus hatte man einer Familie, die weggezogen ist, abgekauft. Das Ehepaar hat inzwischen mit Hilfe weiterer Gemeindeglieder den Gottesdienstraum in der obersten Etage renoviert. Daneben gibt es noch einen Raum für die Arbeit mit den Kindern.

 

Schon eine große Gruppe von Kindern und Jugendlichen trifft sich regelmäßig und hier entsteht eine ganz neue Gemeinde: Menschen deutscher Herkunft beten und feiern zusammen mit Russen, mit Koreanern. Eine echte Gemeinschaft wächst um das Evangelium herum, das keinen und keine als Fremdlinge außen vor läßt, sondern das alle zu »Mitbürgern der Heiligen und Gottes Hausgenossen« macht (Epheser 2,19). In ganz besonderer Weise soll – so ist es der Wille der russischen Pfarrersleute – diese Gemeinschaft im Haus in Kostanai verwirklicht werden: Eine ganze Etage – Bad und drei Zimmer – wird für alte Menschen eingerichtet werden, damit sie dort in guter Obhut ein Zuhause finden. Alte »Schwestern« und »Brüder« aus der Zeit der Brüdergemeinde werden dort wohnen können. So zum Beispiel der 81jährige Bruder Andrej Weber. Früher hat er in Rudny, nicht weit von Kostanai entfernt, die Gemeinde gesammelt. Bis heute ist er der von allen anerkannte Vorbeter bei Tisch – so in Kostanai, so bei der Synode in Astana. Ganz beeindruckend baut sich hier die Brücke von der Herkunft der Kirche hinüber in ihre Zukunft in der Republik Kasachstan.

 

In Astana, der Hauptstadt Kasachstans, ist das Zentrum der lutherischen Kirche in der Uliza Bajan-Aul 101. Als die Stadt noch Zelinograd hieß und diese Straße noch die Uliza Kujbischewa war, wohnte dort Pfarrer Bachmann mit seiner Frau. 1955 hatte er begonnen, Gottesdienste heimlich durchzuführen, 1957 konnte die Gemeinde in Zelinograd als erste lutherische Gemeinde der Sowjetunion außerhalb des Baltikums registriert werden. Natürlich ist inzwischen alles umgebaut. Jetzt steht hier ein praktisches Gemeindezentrum. Der Kirchenraum ist hell und einladend. Es gibt noch ein Gemeindebüro, Räume für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und ein ganzes Nebengebäude mit den Büros für die Kirchenorganisation – für Bischof Urie, für den Verwaltungsleiter Pastor Nowgorodow und für die Buchhalterin Frau Jakowlewa.

 

Die Regierung hat Pläne, die Hauptstadt großzügig auszubauen: danach soll eine ganz neue und moderne Stadt entstehen. Auch der Stadtteil, in dem die Uliza Bajan-Aul ist, soll in dieser Weise umgestaltet werden. Die Evangelisch-Lutherische Kirche möchte aber gern ihr geistiges und geistliches Zentrum behalten. Sie hatte Einspruch erhoben und auf die besondere historische Bedeutung des Bethauses, besonders für die in der Stalinzeit verfolgten älteren Gemeindeglieder aufmerksam gemacht. Deshalb hat die Synode eine Bitte an die Regierung beschlossen und dann dem Vertreter der Regierung, der zum Eröffnungsgottesdienst gekommen war, gleich überreicht.

 

Zwei Tage später konnte die russische orthodoxe Kirche in Astana ihr 150jähriges Jubiläum feiern. Deren Archimandrit war zur Eröffnung der Synode gekommen. Als nun Bischof Urie dort einen kurzen Besuch machte, sagte ihm Archimandrit Serafim: »Ein Engel hat mir gesagt: Ihr werdet Eure Kirche behalten.«

 

Mitte Juni war Bischof Urie zu einem Gespräch in die Kanzlei des Staatspräsidenten gebeten worden. Dort wurde ihm von einem hochrangigen Beamten versichert: »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Die lutherische Kirche wird bleiben, wo sie ist.« Die Regierung respektiere die berechtigten Empfindungen der verschiedenen Religionen, auch die der evangelisch-lutherischen Kirche in Kasachstan.Auf ihrem zukünftigen Weg wollen wir vom Martin-Luther-Bund der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Kasachstan, einer der regionalen Kirchen der ELKRAS, auch weiterhin treu zur Seite stehen. Hier wächst eine Kirche, die ihren eigenständigen Weg zu gehen versucht. Es macht einfach Freude, ihr dabei zu helfen.

 

Dr. Rainer Stahl ist Generalsekretär des Martin-Luther-Bundes.

 

Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 3/2004. Wenn Sie die weiteren Artikel – über Vilnius – das Rom des Ostens, über den Stabwechsel in Hamburg beim dortigen Martin-Luther-Bund, über das Stipendienprogramm des Lutherischen Weltbundes und vieles mehr – lesen möchten, bestellen Sie den »Lutherischen Dienst« kostenlos.