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Aktuelle Meldung



24.11.2015 - Kategorie: ELKRAS

ELKRAS/ELK ER: Konferenz zum Reformationsjubiläum in Moskau




Am 31. Oktober fand in der evangelisch-lutherischen St. Petri- und Pauli-Kathedrale in Moskau die Konferenz »Reformation: Von der Konfrontation zum Dialog« statt. Das Forum gehört zu den Veranstaltungen im Rahmen der kommenden 500-Jahrfeier der Reformation, welche 2017 gefeiert werden wird, der 440-Jahrfeier der lutherischen Kirche in Russland und der 110-Jahrfeier der St. Petri- und Pauli-Kathedrale in der Starosadskij-Gasse.



Pröpstin Elena Bondarenko bei ihrem Grußwort. – Bild: ELK ER

»Das ist nicht nur ein freudiger, sondern auch ein trauriger Tag. Aber es ist kein Tag der Teilung. Wir können an die Erfahrungen, an das Geschehen und an Perspektiven der Einheit denken«, sagte Elena Bondarenko, Administratorin für Außenkontakte der Evangelisch-Lutherischen Kirche im europäischen Russland (ELK ER), Pröpstin der Zentralen Propstei und Koordinatorin der Frauenarbeit der ELK ER, in ihrem Grußwort. Erklärtes Ziel der Konferenz ist eine Verarbeitung und Sinngebung der Erfahrungen der Reformation; die Suche nach Berührungspunkten und nicht nach Trennung zwischen Christen, weshalb die Konferenz ökumenischen Charakter hatte.

 

Konstantin Lysakow, Pastor der Moskauer Bibelkirche, zitierte eine von Martin Luthers 95 Thesen, die mit Worten der Liebe beginnt. »Mich hat immer beeindruckt, dass das Dokument, mit dem die Reformation beginnt, mit tragischen Ereignissen eröffnet wird, aber seinem Wesen nach eine Einladung zur Diskussion ist. Während er einlädt, trägt Luther die Argumente seiner Position vor«, sagte der Pastor und wünschte den Teilnehmern des Treffens »einerseits eine gute Diskussion und andererseits eine argumentierte Position«.

 

Die Teilnehmer der Konferenz wurden auch von Regularpriester Stephan (Igumnow), Sekretär für zwischenkirchliche Beziehungen in der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen des Moskauer Patriarchats, von Reverend Clive Fairclough, Vertreter des Erzbischofs von Canterbury in Moskau, von Aljona Hofmann, Pastorin der lutherischen Gemeinde der deutschen Botschaft, und von Ben Coltvet, Pastor der Moskauer Protestantischen Kirche, begrüßt. Koordiniert wurde der Ablauf des Forums von Konstantin Artemjew.

 

Der Historiker und Moskaukundler Pawel Gnilorybow berichtete aus der Geschichte der Deutschen Freistadt und der St. Petri- und Pauli-Kathedrale. Im Jahr 1905, als die erste Revolution in vollem Gange war, wurde die heutige Kirche eingeweiht. Nach der Revolution von 1917 wurde in der Kirche das Kino »Arktika« und später das Studio »Diafilm« untergebracht. Erst in den 1950er Jahren wurde die Turmspitze abgerissen, die Uhr aus dem Turm entnommen und im KGB-Gebäude am Lubjanka-Platz eingebaut, wo sie sich bis heute befindet. In den 1990er Jahren begann die Ãœbergabe der Kathedrale an die Gläubigen und dann auch die Restaurierung. Das Jahr 2010 gilt als Jahr der Wiedererstehung der Kathedrale, in dem die Turmspitze vollständig wiederhergestellt wurde.

 

Thomas Garcia, Rektor des St.-Thomas-Institut, rief dazu auf, die Reformation und die Gegenreformation als eine einzige Bewegung anzusehen und Luther als Menschen seiner Zeit zu betrachten. Und das war eine Zeit der Erwartung von Reformationen in der Kirche, eine Krisenzeit der Theologie sowie der aristotelischen Philosophie. Jetzt, an der Schwelle des Jubiläums 2017, stehen Katholiken und Protestanten vor ein und denselben Herausforderungen der Zeit: Säkularisierung, soziale Ungerechtigkeit. »Wir feiern das Jubiläum in der Epoche der Ökumene, im Jahrhundert der Globalisierung. Wir müssen die Erfahrungen von Gläubigen aus unterschiedlichen Ländern übernehmen«, sagte der Vortragende und stellte fest, dass wir heute auch Reform nötig haben. Heute haben wir die Möglichkeit, »die Erinnerungen unserer Kirchen zu reinigen und zu heilen«.

 

Andrej Desnitskij, Berater am Institut für Bibelübersetzung und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am orientalistischen Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, hielt einen Vortrag mit dem Titel »Die Ökumene ist tot, es lebe die Ökumene«, in dem er feststellte, dass sich die Ökumene auf offizieller Ebene überlebt habe. Er ging auf einige Thesen der Reformation ein (»allein der Glaube«, »allein die Gnade«, »allein die Schrift«) und schlug vor, diese durch das Prisma der Problematik unserer Zeit zu betrachten. »Sind wir denn bereit für die Heilige Schrift ohne europäisches Gewand?«, fragte er, als es um die Flüchtlinge ging, die sich stark von den Europäern unterscheiden. Können wir das Christentum mit Menschen teilen, ohne von ihnen zu verlangen, Ungarn, Polen oder Deutsche zu werden? Sind wir bereit, mit ihnen in einen Dialog einzutreten? Die Ökumene des 21. Jahrhunderts wird in der gemeinsamen Suche nach einer Antwort auf diese Fragen bestehen, meint der Vortragende. »Aber wir sind damit zu spät dran, wir haben uns gemütlich in unserem kleinen Mittelalter eingerichtet. Wir führen den Menschen nicht zu Christus, sondern zu einer Subkultur«, ist die Meinung des Bibelkundlers.

 

Priester Kyrill Gorbunow, Direktor des Informationsdienstes des Römisch-Katholischen Gottesmutter-Erzbistums in Moskau, berichtete von der Änderung der Sicht der römischen Katholiken auf die Reformation. Im 20. Jahrhundert entstanden die ökumenische Bewegung, die Bibelbewegung und die liturgische Bewegung; es kam der Wunsch nach einer neuen Religiosität auf. Die römischen Katholiken suchten evangelischere Formen für ihr Leben. Das führte zur Änderung der Sicht auf die Reformation und auf die Person Martin Luthers. Er erinnerte auch an die schon in den 70er Jahren ausgesprochenen Worte des zukünftigen Papstes Benedikt XVI., Joseph Ratzinger: Die Ökumenebegeisterung der 60er Jahre werde zu einer neuen Verhärtung führen, weil es nicht möglich sei, auf leichte Weise zu einem gegenseitigen Verständnis zu kommen. »Der Begriff ›ökumenischer Winter‹ wurde in den 70er Jahren eingeführt«, merkte Priester Kyrill Gorbunow an. »Das Liebeszeugnis, das wir geben können, ist wichtiger als das, was wir im theologischen Dialog erreichen. Dann wird uns das gemeinsame Durchleben der Treue zu Christus unweigerlich zueinander ziehen«, fasste der Referent zusammen.

 

Dr. Anton Tichomirow, Rektor des evangelisch-lutherischen Theologischen Seminars in St. Petersburg (Nowosaratowka), informierte über die Vielfalt der Kirchenlieder, die zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Stilen verfasst wurden und unterschiedlich beliebt waren. Der Vortragende zeigte, wie man auf der Ebene der Poesie Berührungspunkte und einen Weg zum ökumenischen Dialog finden kann. Die Ansätze der Autoren sind unterschiedlich, aber das, was sie am meisten eint, ist die Liebe zur Kirche.

 

Moderator Konstantin Artemjew äußerte die Hoffnung, dass die Konferenz zum Anfang einer kontinuierlichen Gemeinschaft werde.

 

Das Forum wurde mit einem dem Reformationsjubiläum gewidmeten Festgottesdienst abgeschlossen.

 

» St. Peter und Paul in Moskau (GoogleMaps)